Zwitschernde Hirten

Ist Twitter eine Chance für die Kirche? Ja, sagen Erzbischof Schick und Bischof Vergara. Zwei Stimmen, zwei Erfahrungen aus zwei Kontinenten. Mehr Mut im Umgang mit Social Media: die beiden Bischöfe machen’s vor.

Von Eva-Maria Werner, Sebastian Flohr und Michael Kinnen

geb. 1949, Erzbischof von Bamberg, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz
geb. 1962, Bischof von Pasig, Philippinen, Leiter der Bischöflichen Kommission zu Sozialen Kommunikationsmitteln
Wie verändern die sozialen Medien kirchliche Strukturen/Hierarchien?
Die Social-Media sind kein Teufelszeug und kein Himmelswerkzeug. Sie sind ein Instrument, mit dem man etwas kommunizieren und mit dem man mit bestimmten Menschen in Kontakt kommen kann. So soll man es sehen. Das kann einer machen – ein anderer hat andere Schwerpunkte und Kommunikationsformen. Dem einen liegt das, dem anderen jenes: Das gehört zu den Freiheiten, die sich jeder Mensch und auch jeder Verkündiger nehmen kann.Das klingt nach Ergänzung: Kann es nicht auch sein, dass es ein Ersatz wird für bisherige Kommunikationsformen – wie sie Pressesprecher oder auch Prediger nutzen? Ich glaube das nicht! Was ich bisher erlebt habe ist, dass es meistens Ergänzungen und Fortführungen waren, die auch die bisherigen Kommunikationsformen immer ein Stück verändert haben: Wir haben die Print-Medien seit fünf- bis zehntausend Jahren. Wir haben den Rundfunk seit über hundert Jahren und Fernsehen seit ca. 90 Jahren. Immer ist noch etwas dazugekommen und hat die herkömmlichen Medien verändert. Das Fernsehen hat die älteren Medien nicht einfach aufgehoben. Ich denke eher: Der Mensch wird von seinem Wesen her immer gerne lesen, ein Buch oder eine Zeitschrift in die Hand nehmen. Die verschiedenen Medien haben verschiedene Funktionen für den Menschen. Im iPad schaue ich nach, um schnelle Nachrichten zu bekommen oder schnell eine Information weiterzugeben. Aber um etwas wirklich vertieft zu studieren, braucht man ein Buch, in dem man blättern kann. Ich glaube nicht, dass das eine das andere völlig ersetzen oder verdrängen wird, weil das nicht dem Menschen entspricht.
Die sozialen Medien beschleunigen Kommunikation innerhalb und außerhalb kirchlicher Strukturen. Stellen Sie sich vor, wie kirchliche Nachrichten sofort innerhalb von Sekunden global ausgestrahlt werden. Das ist unglaublich! Das ist ein Segen. Aber das sollte zu besserer Begegnung, Dialog und Beziehung zwischen Kirche und Gesellschaft führen. Die Kirche sollte aktiver im Gebrauch von Social Media sein, jetzt und in Zukunft. Mit Hilfe von Social Media können wir Brücken schlagen, Beziehungen stärken und unsere Entschlossenheit bekräftigen, zu tun, was Gott für das gemeinsame Wohl wünscht. Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, die der Kirche dienen, sollten das Wissen und die Fähigkeit haben, Social Media für die Evangelisierung zu nutzen. Die Kirche sollte ihre materiellen und menschlichen Ressourcen für Social Media und die Verkündigung des Evangeliums nutzen.Wie kann die Kirche Social Media mit Blick auf Führung verändern?

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Ich glaube, man kann eine große Anzahl an Stimmen in Social Media hören. Häufig findet man sich selbst scrollend vor, auf der Suche nach Posts, die passen oder die Deine Seele oder Dein Herz ansprechen. Könnte die Kirche in Social Media diese besondere Stimme sein, die Menschen anspricht? Es ist meine Hoffnung, dass die Kirche eine Führungsrolle einnimmt bei der Verbreitung von Wahrheit, guten Nachrichten, Liebe und Mitgefühl in den sozialen Medien. Wir können sogar die Prinzipien von Christi Führung verbreiten, die Führungs-Gurus sogar nutzen, um Dienststellen, Gemeinschaften und Nationen zu führen.

Hat sich Ihr Führungsverhalten verändert durch den Einsatz von Social Media?

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Wir haben auch schon Videokonferenzen gehalten. Das nutze ich schon, aber ich würde damit nicht die „face-to-face“-Ordinariatskonferenz ersetzen. Wenn ich etwas Ernsthaftes diskutieren will, muss ich das Gegenüber auch anschauen. Dann weiß ich auch, wie jemand reagiert, selbst wenn er nichts sagt. Das ist wichtig für die Kommunikation und besonders für Entscheidungen, die wir auch zusammen durchtragen müssen.

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In den sozialen Medien vertreten zu sein, lässt mich das leben, was Papst Franziskus uns Bischöfen sagt: zu „riechen wie die Schafe“. Der Geruch der Schafe ist auch in Social Media. Ich glaube, in den sozialen Medien vertreten zu sein, lässt mich besonders die Jugendlichen erreichen, die ich evangelisieren kann. Jedoch finde ich immer noch wichtigere und effektivere Wege und Mittel, es zu tun. Zum Beispiel ist es jetzt schon über ein Jahr her seit wir in ein diözesanes TV Predigtamt auf Facebook eingestiegen sind mit einer wöchentlichen Show, die Jugendliche als Zielpublikum hat. Wir haben unseren Inhalt vor einigen Wochen neu formatiert und ausgesucht, um einen anderen Zugang auszuprobieren. Das war nicht einfach, weil wir nur Freiwillige haben, die uns bei dem Programm helfen, das wir einmal monatlich für vier Shows aufnehmen. Wenn wir finanzielle Mittel hätten, könnten wir es professionalisieren und es viel besser machen. Wir hoffen und verlassen uns auf Gott, der für uns sorgen wird.

Gibt es Unterschiede zwischen twitternden Bischöfen unterschiedlicher Länder?

Ich folge einigen Bischöfen. Ich sehe da schon manche Unterschiede. Manche twittern viel von sich, was ich nicht so mache. Ich sende mehr Botschaften, wie heute Morgen: Ich habe über „Unterbrechung“ getwittert: dass man sich von Gott immer mal unterbrechen lassen soll, damit man IHN erkennen kann im Alltag. Ohne Unterbrechung für Besinnung nimmt man auch die Menschen nicht mehr richtig wahr und gerät in das berühmte Hamsterrad.


Das sind solche Botschaften, die ich herausgebe. Die meisten fallen mir beim Meditieren, manchmal auch beim Joggen ein. Dann denke ich nochmal darüber nach, wie ich das in 140 Zeichen bringe. Inzwischen habe ich darin Übung, es fällt mir nicht mehr schwer.

Ich kenne mich nicht so gut damit aus, wie Deutschland Social Media nutzt. Aber in einem kürzlich stattgefundenen Seminar über digitale und soziale Medien in Bangkok, Thailand, das vom Verband der Asiatischen Bischofskonferenzen (Büro der Sozialen Kommunikation) organisiert wurde, habe ich gelernt, dass die Philippinen sich unter den ersten fünf befinden, die soziale Medien und insbesondere Facebook, nutzen. Es scheint so, als ob unser asiatisches Land aktiver darin ist, soziale Medien zu nutzen.
Warum und wie nutzen Sie Facebook/Twitter?

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Ich nutze Twitter regelmäßig – nicht täglich, aber fast täglich –, um bestimmte Botschaften, die mir wichtig sind, an meine Twitter-Freunde und Follower weiterzugeben. Es ist eine Form der Kommunikation. Ich komme über Twitter und Facebook mit Menschen in Kontakt, denen ich in der Kirche nicht begegne, mit denen der Kontakt aber auch wichtig ist. Ich möchte vor allem die Botschaft des Evangeliums weitertragen, die nicht nur für die Kirchgänger wichtig ist, sondern für alle Menschen. Deshalb nutze ich Twitter und Facebook.

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Ich will evangelisieren! Zunächst wollte ich mich nicht in den Sozialen Medien engagieren. Ich fürchtete um meine Privatsphäre und ich fühlte mich unfähig, mit all dem technischen Zeug umzugehen, das nötig ist, um sich darin zu engagieren. Vor vier Jahren hielt ein Mitarbeiter von Radio Vatikan ein Seminar zur sozialen Kommunikation und Social Media für die philippinischen Bischöfe. Das öffnete mir die Augen für die vielfältigen Möglichkeiten der Evangelisierung, die Social Media leisten kann. Ich legte eine öffentliche Fan-Seite an, so dass ich Dinge posten kann, die eine größere Reichweite haben. Dort poste ich meine Sonntagspredigten und andere relevante religiöse Nachrichten und Botschaften.

Was ist Ihre Botschaft?

Ich habe eine gewisse Mischung. Zuerst und vor allem möchte ich den Menschen etwas vom Evangelium mitgeben, weil ich glaube, dass darin die Fülle des Lebens mitgeteilt wird. Wenn man die Botschaft Jesu „an sich ranlässt“, nach ihr lebt, sie befolgt, dann erhält das Leben einen Mehrwert, dann findet man die Fülle des Lebens, kann sie leben und auch weitergeben. (kann man hier Folgendes anschließen aus einer späteren Frage, oder müsste man das dann wiederum autorisieren lassen? : Wenn ich im Ausland bin, z. B. im Irak oder auf den Philippinen, dann schreibe ich, was ich dort erlebe, zum Beispiel von dem Bürgerkrieg auf Mindanao, wie die Menschen sich befeinden und wie die Ärmsten darunter am meisten leiden. Ich twittere: „Denkt mal an sie, betet für sie!“ Aufrufe zum Bedenken, zum Beten: das mache ich häufiger.


Ich sage schon öfters mal, wo ich gerade bin, aber das hat dann immer eine Message und nicht: „Ich bin jetzt da – schaut mal, wo ich überall unterwegs bin!“

Meine Posts sind meist begrenzt auf Spiritualität und Information. Ich poste bewusst religiöse Zitate, etwa von Henri Nouwen, Ron Rolheiser und Bischof Robert Barron, und meine Predigten. Aber auch Fotos von dienstlichen oder familiären Aktivitäten, die die Botschaft über die Bedeutung von Beziehung und Dienst der Kirche nahebringt. Ich habe beobachtet, dass wenn meine Posts politische Untertöne haben, es weniger Likes gibt und sie seltener geteilt werden. Es gab Zeiten, da hätte ich einige negative Reaktionen erhalten, sobald ein politisches Programm im Inhalt einiger meiner Posts spürbar geworden wäre.

Wie viele Administratoren hat Ihr Account? Gibt es einen „Guardian Angel“ im Hintergrund?
Nein, ich mache alles alleine. Alles, was dasteht, habe ich selbst geschrieben. Außer ganz wenige Texte. Wenn ich zum Beispiel im Ausland bin, dann bitte ich ab und zu jemanden, einen bestimmten Tweet abzusetzen. Aber ich schreibe eigentlich alles selbst. Von daher sind auch alle Fehler in den Messages mir anzulasten.
Für meine öffentliche Facebook Fan-Seite habe ich einen Co-Administrator. Meine Diözese hat eine öffentliche Facebook-Seite, auf der Bilder, Bekanntgaben und andere Dinge in Bezug auf unsere diözesanen Belange gepostet werden. Das tun wir auch für die Bischöfliche Kommission zu Sozialen Kommunikationsmitteln, die ich gerade leite. Wir haben einen Adminstrator, der die Postings macht, ich bin Co-Administrator.
Wie spontan sind Ihre Tweets? Machen Sie sich vorher einen Plan für Ihre Botschaften?
Ein Beispiel: Als im März (2018) das neue Kabinett in Berlin zusammengestellt wurde, ist Gerd Müller wieder zum Entwicklungshilfeminister berufen worden. Spontan habe ich in Twitter meine Freude darüber zum Ausdruck gebracht.Was sagt Ihre Pressestelle dazu? Stimmen Sie solche Tweets vorher ab?
Nein, ich stimme sie nicht ab. Die Pressestelle weiß, dass ich spontan twittere.
Ich poste religiöse Zitate oder kurze Artikel regelmäßig – ein oder zweimal täglich, abhängig von meinem Terminkalender, von meinem iphone oder ipad.
Hat sich etwas verändert, seit Sie bei Twitter aktiv sind? Sind Sie vorsichtiger oder entspannter geworden in dem, was Sie twittern?

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Eigentlich hat sich mein Twitter-Verhalten nicht sehr verändert in diesen Jahren. Ich habe ein bestimmtes Themenspektrum im Kopf, das ich bediene: etwa das Persönliche, wie zum Beispiel gestern, als unser Weihbischof gestorben ist, mit dem ich sehr verbunden war. Das hat mich beschäftigt und abends habe ich dann ein Foto von uns beiden getwittert und geschrieben, dass ich traurig bin und ich gut mit ihm zusammengearbeitet habe. Ein bisschen ist das eine Verabschiedung und auch eine Mitteilung an die, die mir folgen.

Es ist interessant, dass meine Follower zugenommen haben und Reaktionen auf meine Posts teilen. Ich habe mehr Reaktionen auf Facebook verglichen mit Twitter, seit ich Twitter ungefähr einmal pro Woche nutze. Meine öffentliche Facebook-Fan-Seite hat mehr als 2000 Likes und ich habe mehr Beiträge auf dieser Seite gesehen, die ihre Reichweite vergrößert hat.
Wie reagieren Ihre Bischofskollegen?
Wir sind ja sehr wenige, die bei Twitter unterwegs sind. Manche finden das gut, machen es aber nicht selbst. Aber ich habe noch nie eine kritische Äußerung gehört.Und was sagt die Pressestelle?Die bedient eine andere Sparte. Ich treffe mich mit meinem Pressesprecher jede Woche. Dabei sprechen wir auch darüber und wer was macht. Die Mitarbeiter/-innen der Pressestelle kennen meine Linie. Die Idee zu twittern, kam übrigens von ihnen. Sie kennen meine Anliegen und meine Überzeugung, dass die Kirche alle Möglichkeiten nutzen muss, um an die Menschen heranzukommen und um ihnen unsere gute Botschaft zu vermitteln. Leute von meiner Pressestelle haben gesagt: „Da gibt es Twitter und Facebook. Machen Sie das doch auch!“ So habe ich angefangen. Sie haben mir auch die Technik beigebracht. Ich musste das alles lernen. Wir sprechen immer wieder darüber. Sie kennen meine Anliegen und ich weiß um ihre Anliegen. Da kommen wir uns nicht in die Quere, sondern ergänzen uns gegenseitig. Ich retweete auch Etliches, was unsere Pressestelle zu bestimmten Ereignissen im Bistum herausgibt. Und sie retweeten meine Tweets, die ich zur geistlichen Auferbauung und Erneuerung herausgebe. Von daher ist das abgesprochen-unabgesprochen eine gute Ergänzung.
Einige philippinische Bischöfe, die meine Freunde auf Facebook sind, liken und reagieren auf manche meiner Botschaften. Was die Situation philippinischer Bischöfe betrifft, die Präsident Duterte kritisieren und umgekehrt und wie dies in die sozialen Medien hineinragt: Ich denke, beide Parteien sollten in eine dialogische Annäherung treten, die eine proaktivere Haltung in politischen Angelegenheiten prägen könnte. Die Realität von Trollen und Bots in Social Media schafft eine ungesunde meinungsbildende Sub-Kultur, die weiter die Wahrheit verzerrt, was Fake News stark vermehrt und Gemeinschaften und sogar das ganze Land polarisiert.

Wie ist die Reaktion Ihrer Facebook-Freunde und Twitter-Follower? Gibt es einen „Rückkanal“, reagieren Ihre Follower auf das, was Sie schreiben?
Ja, auf die Nachricht zum Tod des Weihbischofs haben einige etwas geschrieben, weit über tausend haben den Tweet angeklickt.Antworten Sie dann wiederum?Ja, ich antworte, wenn wirklich Fragen oder Anliegen kommen. Aber das ist nicht so häufig. Es gibt natürlich auch Kommentare, die abfällig sind, da antworte ich auch nicht. Manchmal sind die Social Media auch „A-Social“, durch Nutzer.
Es gibt Facebook-Freunde, die in den Gemeinden meiner Diözese dienen, die positive Reaktionen und Kommentare auf eine ganze Reihe meiner Posts geben.

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Titelbild: Papst Benedikt XVI. beim Posten seines ersten Tweets auf einem Tablet-PC nach der Generalaudienz am 12. Dezember 2012. ©KNA-Bild

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