Wo andere unbedingt hinwollen, an die Spitze eines Unternehmens, stand Felix Friedrich von Anfang an. Als Mitgründer von TheBuzzard.org trägt er das wirtschaftliche Risiko für sein Start-up. Ob sein Geschäftsmodell dauerhaft funktioniert, liegt letztlich in seiner Verantwortung. Für den Erfolg nimmt der junge Chef aber auch seine Mitarbeiter in die Pflicht.
Von Sören Maak-Heß
Herr Friedrich, Sie sind Mitgründer der Pro- und Contra-Meinungsseite TheBuzzard.org. Buzzard heißt auf Deutsch Bussard. Sind Sie als Chef so: Über den Dingen schwebend und dann im Sturzflug eiskalt zuschlagend?
Die Seite
Auf TheBuzzard.org werden gesellschaftliche und politische Debatten für den Nutzer übersichtlich aufbereitet. Charakteristisch sind Pro- und Contra-Artikel zu kontroversen Fragen wie den deutschen Waffenexporten, der großen Koalition oder der nordkoreanischen Atombombe.
Als Ergänzung dienen „Lösungs-“ und „Hintergrund“-Artikel. Die Mitarbeiter von TheBuzzard.org „scannen“ das deutsch- und englischsprachige Internet nach den besten Debattenbeiträgen und fassen den Inhalt schließlich zusammen.
So ist das nicht gemeint. Unser Produkt ist wie ein Bussard, der politische und gesellschaftliche Debatten aus der Vogelperspektive verfolgt und dann die interessantesten Thesen für unsere Leser herausgreift und zusammenfasst. Ich persönlich sehe mich gegenüber unseren Mitarbeitern nicht als Bussard. Das Bild passt nicht. Ich bin ein zugänglicher Chef und in unserem Unternehmen wird viel Wert gelegt auf flache Hierarchien.
Das klingt jetzt so, als dürften Ihre Mitarbeiter Sie duzen, Ihnen nach Herzenslust widersprechen und auch mal von zu Hause aus arbeiten.
Das trifft es ganz gut. Wir wechseln meist schon im Vorstellungsgespräch zum Du und sind dann daran interessiert, das Beste aus dem Mitarbeiter herauszuholen und das geht am besten, wenn wir ihn als Partner behandeln, seine Verbesserungsvorschläge ernst nehmen und ihm auch mal entgegen kommen, wenn er nicht ins Büro kommen kann.
Sie haben Büros in Leipzig und München, aber keine regionalen Büroleiter. Wie führen Sie aus der Ferne?
Für eine Struktur mit Abteilungsleitern und Niederlassungsleitern sind wir noch zu klein. Für Dario Nassal, mit dem ich TheBuzzard.org gegründet habe, und mich ist Führung aus der Ferne natürlich eine Herausforderung, die wir mit Instrumenten wie Skype zu bewältigen versuchen. Wir denken auch nicht daran, einen Standort zu schließen, nur um alles an einem Ort zu haben. Eher schweben uns Dependancen im europäischen Ausland und in Übersee vor, wenn alles gut läuft. Dann sitzt die Führung vermutlich in der Zentrale, die ich mir in Leipzig und Berlin vorstellen kann. München ist sehr teuer.
„Bei uns steht die Zweckmäßigkeit einer Struktur im Vordergrund“
Sie und Dario Nassal waren anfangs beide sowohl Chefredakteur als auch Herausgeber. Das ist in der vermeintlich kumpelhaften Start-up-Szene nicht ungewöhnlich. Handelt es sich aber nicht auch um eine extreme Machtkonzentration?
Das ist mit Sicherheit so. Mittlerweile haben wir uns aber etwas anders aufgestellt. Dario kümmert sich stärker um die Inhalte und hat da das letzte Wort, ich verantworte die kaufmännischen Aspekte, das Marketing und unsere Expansion. Gleichzeitig bin ich aber auch stellvertretender Chefredakteur.
Das heißt: Manchmal führt Ihr Mitgründer Sie und manchmal Sie ihn.
Ja. Das ist die Konsequenz aus gegenseitigem Vertrauen und dem Verzicht auf Macht. Dario und ich müssen spätestens in der Geschäftsführerkonferenz als gleichberechtigte Geschäftsführer von The Buzzard natürlich immer eine Übereinkunft erzielen.
Inwiefern entspricht Ihre Aufgabenteilung dann wieder der klassischen Struktur eines Medienhauses mit dem Geschäftsführer auf der Verlagsseite und dem Chefredakteur auf der Redaktionsseite?
Ich denke, dass diese beiden Bereiche bei uns durchlässiger sind – wie gesagt: Dario ist auch Geschäftsführer und ich bin stellvertretender Chefredakteur. Aber wir machen auch nicht aus Prinzip alles anders als die klassischen Medien. Bei uns steht die Zweckmäßigkeit einer Struktur im Vordergrund.
Sie selbst haben bereits für den Mannheimer Morgen, Phoenix und RTL Hessen gearbeitet. Was haben die dortigen Ressortchefs anders gemacht als Sie heute?
Das lässt sich schlecht generalisieren. Mein Eindruck ist allerdings, dass in klassischen Medienhäusern der Chefredakteur oftmals zu weit weg ist von seinen Leuten. Vorschläge werden abgelehnt, weil die Vorgesetzten bereits mit einer vorgefassten Meinung, wie sie ein Thema aufbereiten wollen, in die Konferenz gehen und daran können dann auch gute Gegenargumente nichts ändern. Ein Austausch ist nicht ehrlich gewollt und die beste Idee bekommt keine faire Chance. Irgendwann wird sie erst gar nicht mehr vorgebracht. An diesem Punkt ersetzen die Schweigespirale und der Group Think – also eine Art harmoniesüchtiges Gruppendenken – den kreativen Austausch.
Konnten Sie in Print und TV auch etwas lernen?
Auf jeden Fall. Das Durchsetzungsvermögen, das auch ein freundlicher Chef zuweilen braucht, kann man sich zumindest ein Stück weit von den Chefs alten Schlags abgucken.
Abgesehen von Konflikten: Wie sieht Ihr Instrumentenkoffer zur Führung Ihrer Mitarbeiter aus?
Wir orientieren uns stark am RACI-Modell, schauen also immer, wer verantwortlich (responsible) und rechenschaftspflichtig (accountable) ist, wer einbezogen (consulted) und informiert (informed) werden muss. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass alle ihren Teil zur Lösung eines Problems oder zur Erfüllung einer Aufgabe beisteuern.
„Als Gründer identifiziere ich mich maximal mit unserem Produkt“
Ausgerechnet zu den Lieferanten der Originalinhalte, also den Journalisten, deren Inhalte sie kuratieren und deren Meinungen Sie zusammenfassen, haben Sie keinen direkten Kontakt. Ist das ein Problem?
Nein, denn die Beauftragung eines Journalisten mit einem konkreten Text – zum Beispiel einem Contra-Artikel gegen deutsche Waffenexporte – würde unserem Geschäftsmodell widersprechen. Schließlich wollen wir die wertvollsten Debattenbeiträge aus der Vielfalt der Meinungen, Kommentare und Berichte herausfiltern, die durch das Web wabern.
Glauben Sie, dass Sie ein anderer Chef wären, wenn TheBuzzard.org nicht Ihre ureigene Idee – Ihr „Baby“ – wäre?
Das ist eine schwierige Frage. Als Gründer identifiziere ich mich maximal mit unserem Produkt. Ich trage das volle unternehmerische Risiko und unser junges Start-up kann noch nicht auf eine Firmenhistorie von mehreren Jahrzehnten zurückblicken, die Sicherheit und Urvertrauen gibt. Niemand hat mir diese Führungsaufgabe zugeteilt. Vielmehr bin ich als Gründer eine Art geborene Führungskraft. Das alles unterscheidet mich sicherlich von einem angestellten Manager. Ich denke, es ist ganz logisch, dass wir Gründer mit noch mehr Herzblut dabei sind.
Wo stehen Sie mit TheBuzzard.org in zehn Jahren?
Ich hoffe, dass wir uns bis dahin zu einem großen Marktplatz für politische Perspektiven entwickelt haben und auch finanziell auf eigenen Füßen stehen. Derzeit werden wir noch bis zum Sommer von der Google Digital News Initiative gefördert (Anmerkung: Das Interview wurde im März 2018 geführt), aber in zehn Jahren muss sich das Geschäftsmodell natürlich von selbst tragen. Um unsere große Vision zu erreichen, brauchen wir zuerst eine Anschubfinanzierung, auch durch Venture Capital, um danach voll und ganz auf unsere Haupteinnahmequellen aus Abonnements zu setzen.
Titelbild: Julian Mathieu